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Rechtsprechung

Im Folgenden finden Sie eine Übersicht über die Rechtsprechung zur Offenlegungspflicht und zu den Ordnungsgeldverfahren. Diese Rechtsprechungsübersicht ist unterteilt in die folgenden Bereiche:

Verfassungsmäßigkeit des Ordnungsgeldverfahrens

ThemaInhalt der Entscheidung
Die Verfassungsmäßigkeit der Offenlegungspflicht

Gegen die gesetzliche Verpflichtung einer Kapitalgesellschaft zur Offenlegung ihrer Jahresabschlüsse bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies gilt auch dann, wenn in einem bestimmten Marktsegment die Erfüllung der Offenlegungspflicht besondere Belastungen für die betroffene Gesellschaft verursachen.

(Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 09.07.2015 – 28 Wx 6/15)

Festsetzung trotz Offenlegung gerechtfertigt, wenn diese verspätet erfolgt ist

§ 335 des Handelsgesetzbuches (HGB) kann verfassungsrechtlich unbedenklich dahingehend verstanden werden, dass die Festsetzung eines Ordnungsgelds allein an die Versäumung der Offenlegungsfrist des § 325 Absatz 1 HGB und der in § 335 Absatz 3 Satz 1 HGB bestimmten Nachfrist anknüpft und mithin auch dann gerechtfertigt ist, wenn die Offenlegung zwar verspätet, aber noch vor Festsetzung erfolgt.

(Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11.3.2009 – 1 BvR 3413/08)

(Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14.10.2010 – 1 BvR 364/09)

Reichweite des Ordnungsgeldtatbestands

Wird die Einleitung des für die erstmalige Bildung des Aufsichtsrats erforderlichen Statusverfahrens nicht erzwungen, weil keiner der Berechtigten einen solchen Antrag stellt, und gibt es deshalb keinen Aufsichtsrat, so kann dieser auch keinen auf das jeweilige Geschäftsjahr bezogenen Bericht vorlegen, ein solcher Bericht folglich auch nicht zur Veröffentlichung eingereicht werden.

(Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9.1.2014 – 1 BvR 299/13)

Befreiungsmöglichkeit für
Tochterunternehmen bei Sitz des Mutterunternehmens in einem Mitgliedstaat der EU

Ein Unternehmen kann auch dann von der Befreiungsmöglichkeit nach § 264 Absatz 3 HGB (alte Fassung) Gebrauch machen, wenn seine Muttergesellschaft ihren Sitz entgegen dem Wortlaut des § 264 Absatz 3, 290 HGB (alte Fassung) nicht im Inland, sondern in einem Mitgliedstaat der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraums hat.

(Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 06.02.2014 – C 528/12)

Offenlegungspflicht

ThemaInhalt der Entscheidung
Offenlegungspflicht der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)

Eine Unternehmergesellschaft (UG) i. S. d. § 5a des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) ist eine Kapitalgesellschaft und als solche zur Erstellung und Offenlegung eines Jahresabschlusses verpflichtet. Das Gesetz enthält auch keine Regelungslücke, da sich die maßgeblichen Vorschriften ausdrücklich auf Kapitalgesellschaften beziehen. Um eine solche handelt es sich bei der Unternehmergesellschaft. Mit der UG hat der Gesetzgeber keine eigene Rechtsform geschaffen, sondern eine Rechtsformvariante der GmbH entwickelt.

(Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 03.11.2015 – 28 Wx 12/15)

Neugründungen, ruhender Geschäftsbetrieb, Gewerbeabmeldung

Für Kapitalgesellschaften besteht mit ihrer Eintragung bis zu ihrer Löschung die Pflicht zur Erstellung und Offenlegung des Jahresabschlusses unabhängig davon, ob sie mangels Geschäftsbetriebs noch kein Gewerbe oder kein Gewerbe mehr betreiben.

Auch am Wirtschaftsverkehr nicht teilnehmende Kapitalgesellschaften sind zur Offenlegung gemäß §§ 325 ff. HGB verpflichtet. Wegen der jederzeit bestehenden Möglichkeit, den Geschäftsbetrieb aufzunehmen, liegt die Publizität weiterhin im gesamtwirtschaftlichen Interesse.

(Landgericht Bonn, Beschluss vom 11.06.2010 – 33 T 624/10)
(Landgericht Bonn, Beschluss vom 02.12.2008 – 37 T 627/08)

Offenlegungspflicht während der Liquidation

Auch während der Liquidation bestehen die Offenlegungspflichten – bis zur Löschung des Unternehmens aus dem Handelsregister – gemäß § 71 GmbHG fort.

(Landgericht Bonn, Beschluss vom 10.12.2008 – 37 T 472/08)

Befreiung als Tochtergesellschaft

Eine Befreiung der Tochtergesellschaft von der Publizitätspflicht tritt nur ein, wenn sämtliche Voraussetzungen des § 264 Absatz 3 HGB (bei Kapitalgesellschaften) beziehungsweise des § 264b HGB (bei Personenhandelsgesellschaften) erfüllt wurden.

(Landgericht Bonn, Beschluss vom 06.05.2010 – 36 T 837/09)
(Landgericht Bonn, Beschluss vom 03.04.2009 – 30 T 256/09)

Offenlegungspflicht bei finanziellen Schwierigkeiten

Die Offenlegungspflicht entfällt nicht bei angespannter finanzieller Lage der Gesellschaft. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich der Schutzzweck der §§ 325 ff. HGB – insbesondere der Gläubigerschutz – gerade dann aktualisiert, wenn sich das Unternehmen in einer wirtschaftlich bedrohlichen Lage befindet.

(Landgericht Bonn, Beschluss vom 09.08.2011 – 35 T 352/11 – unveröffentlicht)
(Landgericht Bonn, Beschluss vom 25.10.2007 – 11 T 21/07 – unveröffentlicht)

Geltendmachung von Einwendungen

ThemaInhalt der Entscheidung
Bestandskraft der Androhungsverfügung

Wurde gegen die Ordnungsgeldandrohung kein Einspruch eingelegt, kann eine sofortige Beschwerde nicht darauf gestützt werden, dass die Androhungsverfügung nicht gerechtfertigt ist. Zur Geltendmachung materieller Einwendungen ist allein das Einspruchsverfahren gegeben.

(Landgericht Bonn, Beschluss vom 24.06.2008 – 30 T 40/08)

Präklusion

Auf ein fehlendes Vertreten müssen im Zeitraum nach der Androhungsverfügung kann sich die Gesellschaft nicht mehr berufen, wenn sie Wiedereinsetzung nicht beantragt hat oder die Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrags bestandskräftig geworden ist. Die ganz eindeutige gesetzliche Regelung des § 335 Absatz 5 Satz 9 HGB unterbindet rigoros und unbedingt jedweden Einwand fehlenden Verschuldens hinsichtlich der Nichtoffenlegung innerhalb der sechswöchigen Nachfrist.

(Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 1. Juli 2015 – 28 Wx 8/15)

Verhinderung des vertretungsberechtigten Organs

Juristische Personen haben dafür zu sorgen, dass stets ein verfassungsmäßiger Vertreter vorhanden ist, der bei Verhinderung des Geschäftsführers zu handeln befugt und in der Lage ist. Die fehlende Berufung eines solchen Vertreters stellt einen Organisationsmangel dar, der geeignet ist, die Pflichtwidrigkeit des Unterlassens der Offenlegung im Sinne von § 325 Absatz 1 Satz 1 HGB zu begründen.

(Landgericht Bonn, Beschluss vom 08.12.2008 – 39 T 134/08)

Beauftragung Dritter/Organisationsmängel

Gesellschaften können sich bezüglich ihrer Offenlegungspflicht nicht aufgrund von Versäumnissen auf Seiten des Steuerberaters entlasten. Kapitalgesellschaften haben sich auf die Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten einzustellen. In ihren Pflichtenkreis fällt es somit auch, durch entsprechende organisatorische Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass die Jahresabschlussdaten vollständig und rechtzeitig an den Bundesanzeiger übermittelt werden.

(Landgericht Bonn, Beschluss vom 10.12.2008 – 37 T 472/08 – unveröffentlicht)

Beauftragt die Gesellschaft einen Steuerberater mit der Einreichung der Unterlagen innerhalb der Nachfrist, muss sie organisatorische Vorkehrungen treffen, dass die übertragenen Aufgaben auch ordnungsgemäß und rechtzeitig erfüllt werden. Unterlässt sie dies, trifft sie ein eigenes Organisationsverschulden.

(Landgericht Bonn, Beschluss vom 20.01.2010 – 31 T 1398/09)

Die Gesellschaft handelt schuldhaft, wenn sie einen Steuerberater mit der Abgabe der erforderlichen Erklärung beauftragt, ohne die Umsetzung des Auftrags zu kontrollieren. Wenn die Offenlegung des Jahresabschlusses bei dem Betreiber des Bundesanzeigers nicht feststellbar ist, darf sie sich auf die mündliche Zusage des Steuerberaters nicht verlassen. Die Gesellschaft muss vielmehr von ihrem Steuerberater einen Einreichungsnachweis verlangen.

(Landgericht Bonn, Beschluss vom 28.02.2013 – 32 T 143/13 – unveröffentlicht)

Die Gesellschaften trifft im Rahmen des Ordnungsgeldverfahrens eine sekundäre Darlegungslast. Es obliegt zunächst dem Unternehmen, darzulegen, aufgrund welcher Umstände die Fristen nicht eingehalten wurden. Bei Beauftragung eines Dritten hat die Gesellschaft die Pflicht, zu überwachen, ob der Dritte die übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt. Dabei kann sich die Gesellschaft nach Ablauf der Jahresfrist sowie nach Erhalt der Ordnungsgeldandrohungsverfügung nicht ohne weiteres auf den Vertrauensgrundsatz berufen (gesteigerte Sorgfaltspflicht). Es obliegt der Gesellschaft, sich selbst eine Wiedervorlagefrist zu setzen und sich noch vor dem Ablauf der mit der Androhungsverfügung gesetzten Nachfrist zu versichern, dass diese Frist eingehalten wurde oder wird. Erst wenn die Pflichterfüllung für die Gesellschaft zuverlässig von der beauftragten Person bestätigt wird, kann sie die Offenlegungspflicht als erledigt betrachten.

(Landgericht Bonn, Beschluss vom 22.12.2011 – 37 T 1055/11)

Beschlagnahme

Die Beschlagnahme der für die Erstellung des Jahresabschlusses erforderlichen Unterlagen entbindet nicht von der Einhaltung der Veröffentlichungspflicht. Es sind alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um Einblick in diese Unterlagen zu erhalten, gegebenenfalls Kopien zu fertigen und sodann den Abschluss zu erstellen.

(Landgericht Bonn, Beschluss vom 28.07.2008 – 30 T 52/08)

Betriebsprüfung

Kaufmännische Rechnungs- und Offenlegungspflichten gemäß §§ 325 HGB bestehen unabhängig von den steuerrechtlichen Buchführungspflichten. Dies hat zur Folge, dass Betriebsprüfungen nicht von den Publizitätspflichten der §§ 325 ff. HGB suspendieren.

(Landgericht Bonn, Beschluss vom 11.12.2009 – 35 T 201/09 – unveröffentlicht)

Ordnungsgeldverfahren

ThemaInhalt der Entscheidung
Verfahrensgebühr

Die Verfahrensgebühr nebst Zustellungsauslagen entfällt nicht deswegen, weil die Offenlegung der Jahresabschlussunterlagen innerhalb der gesetzten 6-wöchigen Nachfrist nachgeholt wird.

(Landgericht Bonn, Beschluss vom 11.02.2009 – 30 T 878/08)

Adressat des Verfahrens

Mit der Möglichkeit nach § 335 Absatz 1 Satz 2 HGB, das Ordnungsgeldverfahren gegen die Kapitalgesellschaft selbst zu führen (statt gegen die Mitglieder ihres vertretungsberechtigten Organs), soll sichergestellt werden, dass die Zustellung stets am Geschäftssitz erfolgen kann; das Bundesamt für Justiz muss die Inanspruchnahme der Kapitalgesellschaft nicht ausdrücklich mit diesem offenkundigen Zustellungsvorteil begründen.

(Landgericht Bonn, Beschluss vom 29.06.2009 – 30 T 537/09)

Erstattung außergerichtlicher Kosten

Die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nach § 335 Absatz 5 Satz 7 HGB in der bis zum 9. Oktober 2013 geltenden Fassung (jetzt: § 335a Absatz 2 Satz 6 HGB) lediglich für die im Beschwerdeverfahren angefallenen Kosten vorgesehen. Für eine Kostenerstattung außergerichtlicher Kosten im vorangehenden Androhungs- und Einspruchsverfahren existiert keine rechtliche Grundlage.

(Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 11.07.2012 – 7 VA 3/08 – unveröffentlicht)

Höhe des Ordnungsgelds

ThemaInhalt der Entscheidung
Herabsetzung des Ordnungsgelds aus Billigkeitsgründen

Billigkeitsgesichtspunkte rechtfertigen […] nach der einschlägigen fachgerichtlichen Rechtsprechung eine Herabsetzung des Ordnungsgelds nicht, da § 335 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 3 Satz 5 HGB in der bis zum 9. Oktober 2013 geltenden Fassung (jetzt: § 335 Absatz 4 Satz 2 Nummer 4 HGB) insoweit eine abschließende und zu dem – zum damaligen Zeitpunkt anwendbaren – § 135 Absatz 2 Satz 2 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) (jetzt: § 390 Absatz 4 Satz 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)) speziellere Regelung treffen. Diese Gesetzesauslegung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

(Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 01.02.2011 – 2 BvR 1236/10 – unveröffentlicht)

Eine (sonstige) Herabsenkung des Ordnungsgelds durch das Gericht aus Billigkeitsgründen sieht das Gesetz nicht vor. Der Spezialcharakter der abschließenden Herabsetzungstatbestände in § 335 Absatz 4 Satz 2 HGB schließt die Anwendung des § 390 Absatz 4 Satz 2 FamFG für das Bundesamt für Justiz, das Landgericht Bonn und auch das Oberlandesgericht Köln aus. Eine solche Auslegung ist verfassungsrechtlich bedenkenfrei.

(Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 29.06.2015 – 28 Wx 1/15)

Keine Herabsetzung bei Einreichung nach Festsetzung des Ordnungsgelds

Eine Herabsenkung des Ordnungsgelds im Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht Bonn kommt nicht in Betracht. Bei einem Tätigwerden des Unternehmens erst nach Ablauf der Sechswochenfrist (vgl. § 335 Absatz 5 Satz 9 HGB) und nach Festsetzung des Ordnungsgelds besteht keine Veranlassung für eine Herabsetzung des Ordnungsgelds mehr. § 335 Absatz 4 Satz 3 HGB verbietet auch dem Gericht im Beschwerdeverfahren die Herabsenkung wegen neuer Tatsachen nach Festsetzung des Ordnungsgelds.

(Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 29.06.2015 – 28 Wx 1/15)
(Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 20.05.2016 – 28 Wx 1 /16 – bisher unveröffentlicht)

Geringfügige Fristüberschreitung

Eine Unterschreitung des Mindestsatzes ist nur bei geringfügiger Überschreitung der vom Bundesamt für Justiz gesetzten Nachfrist gemäß § 335 Absatz 3 Satz 5 HGB in der bis zum 9. Oktober 2013 geltenden Fassung (jetzt: § 335 Absatz 4 Satz 2 Nummer 4 HGB) möglich. Eine solche ist bei einer Überschreitung von höchstens zwei Wochen anzunehmen.

(Landgericht Bonn, Beschluss vom 20.01.2010 – 31 T 1398/09)

Herabsetzung bei Kleinstkapitalgesellschaften

Eine Herabsetzung des Ordnungsgelds nach § 335 Absatz 4 Satz 2 Nummer 1 HGB kommt nur in Betracht, wenn eine Kleinstkapitalgesellschaft von dem Recht nach § 326 Absatz 2 HGB Gebrauch gemacht und die Offenlegung durch Hinterlegung erfüllt hat.

(Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 20.05.2016 – 28 Wx 3/16)

Festsetzung weiterer Ordnungsgelder

Die Staffelung von 2.500 Euro vom ersten Ordnungsgeld bis 5.000 Euro für das zweite Ordnungsgeld basiert auf der ständigen Verwaltungspraxis des Bundesamts für Justiz und ist als solche bedenkenfrei. Die Tatsache, dass selbst nach verspäteter Erfüllung der Offenlegungspflicht allein aus den dann verbleibenden Sanktionsgesichtspunkten heraus eine Festsetzung weiter möglich bleibt, welche als rein repressive strafähnliche Sanktion nur den Voraussetzungen des Artikel 103 Absatz 2 GG genügen muss, belegt, dass gerade keine durchgreifenden Bedenken an der Verhängung von auch hohen Folgeordnungsgeldern bei dauerhafter Zuwiderhandlung bestehen.

(Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 20.05.2016 – 28 Wx 1/16 – bisher unveröffentlicht)